Fünf Fragen an…
Dr. Leonhard Bürger
Dr. Leonhard Bürger wurde in Freyung geboren und ist in Waldkirchen aufgewachsen. Hier besuchte er die Grundschule und das Gymnasium. Nach Erlangen der Hochschulreife studierte er in Regensburg Humanmedizin und ist seit 2018 als Arzt in unserer Region tätig. Aktuell befindet er sich in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, mit dem Wunsch der baldigen hausärztlichen Niederlassung in Waldkirchen, und ist nebenberuflich als Notarzt tätig. Sein heimatgeschichtliches Interesse entstand bereits in frühen Jahren. Anfangs interessiert an der eigenen Familiengeschichte, welche in Waldkirchen über 100 Jahre zurückreicht, erwuchs schon bald der Drang, die Vergangenheit seines Heimatortes tiefer zu ergründen. Insbesondere die bildliche Dokumentation ist ihm ein Anliegen. So baute er in mühevoller Kleinstarbeit eine Sammlung von über 1000 Fotodokumenten auf und er ist stets interessiert, diese zu erweitern und so häufig bedrohtes Kulturgut vor dem Vergessen oder gar der oftmals drohenden Entsorgung zu bewahren. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Erforschung der Besitzverhältnisse der Waldkirchener Anwesen und der Genealogie derer Eigentümer. In bisher einmaligem Umfang trug er die Familiengeschichten von mehreren hundert Waldkirchener Familien zusammen. Aufgrund der Kenntnis seiner Heimat erfolgte 2018 die Ernennung zum Kreisheimatpfleger für die Gemeinden Waldkirchen, Jandelsbrunn, Neureichenau und Haidmühle. Der damals erst 25-jährige Arzt war der jüngste Heimatpfleger des Bezirkes. In seiner Funktion setzt er sich für den Erhalt alter Bausubstanz und für sinnvolle und zielführende Denkmalpflege ein. Ehrenamtlich engagiert sich Bürger zudem in vielen Vereinen, z. B. als 2. Vorstand des Heimat- und Museumsvereines oder als Kulturwart der Waldvereinssektion Dreisessel.
Frage 1:
Kreisheimatpfleger sind meistens ältere Herren. Warum waren Sie der jüngste Kreisheimatpfleger im Landkreis?
Dr. Leonhard Bürger:
Tatsächlich ist das Ehrenamt des Kreisheimatpflegers eines, welches nicht nur im Landkreis sondern im ganzen Bezirk überwiegend von älteren Personen ausgeübt wird. Alleine begründet sich dies schon im zeitlichen Aufwand, der gar nicht unerheblich ist. Nachdem mein Vorgänger altersbedingt seinen Rückzug gewünscht hat, wurde von Seiten des Landkreises ein Nachfolger gesucht. Hier wurde ich von unterschiedlichen Personen scheinbar empfohlen, weshalb der Landkreis an mich herangetreten ist. In erster Linie habe ich mich für Übernahme des Amtes entschieden, da ich sehr gerne das Bewusstsein für Vergangenes stärken möchte und mich auch für den Erhalt von alter Bausubstanz einsetzen möchte. So kam ich also ganz unerwartet zu dieser Funktion.
Frage 2:
So selten wie junge Kreisheimatpfleger sind Frauen in dieser ehrenamtlichen Funktion. Können Sie sich vorstellen, dass es auch einmal eine Kreisheimatpflegerin geben wird?
Dr. Leonhard Bürger:
Woher die männliche Übermacht in diesem Ehrenamt herrührt, ist mir nicht ganz erklärlich. Engagement für die Heimat und Kultur ist sicherlich etwas völlig geschlechterneutrales und deswegen ist eine Kreisheimatpflegerin sicher nur eine Frage der Zeit.
Frage 3:
Gibt es Verbindungen zwischen dem Beruf des Arztes und der Liebe zur Geschichte der Region oder reizt hier der Gegensatz?
Dr. Leonhard Bürger:
Größere Verbindungen gibt es tatsächlich bisher nicht. Für mich ist es eher ein Ausgleich zur Arbeit.
Frage 4:
Schärft der Blick zurück den Blick für die Gegenwart?
Dr. Leonhard Bürger:
Die Auseinandersetzung mit dem Vergangenen und die Schätzung der Lebensumstände und Leistungen unserer Vorfahren ist meiner Meinung nach zentraler Anhaltspunkt für unsere Zukunft. Gerade Themen wie Klimawandel und Regionalität beantwortet das Leben vor vielen Jahren auf einfache und erstaunlich eindrückliche Weise. Die Kenntnis über das einstige Leben macht zudem auch sehr bescheiden. Wer schätzt es heute noch, fließend warmes Wasser zu haben? Unsere moderne Technologie würde so viele Ansatzpunkte bieten, um mit ein bisschen Wertigkeit des Einfachen auch klimaneutral Wohlstand zu erhalten. Durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit schätzt man vieles anders, das würde ich mir für unsere Gesellschaft allgemein auch wünschen.
Frage 5:
Nicht über alle Ereignisse in der Vergangenheit wird gerne gesprochen. Wie findet man in diesen Fällen die Antworten?
Dr. Leonhard Bürger:
War es in der vergangenen Zeit üblich, insbesondere über unangenehme Ereignisse in der Familie nicht zu sprechen, kam nach den Jahren 1933 – 1945 bei vielen eine ganz andere Dimension an Verschwiegenheit auf. Viele Fragen werden wir somit wohl nie mehr beantworten können. Um dennoch etwas herauszufinden, muss man sich deswegen auf die Suche nach Primärliteratur machen. Alte Zeitungen, Akten in Archiven, Standesamtsbücher oder Kirchenbücher geben da wertvolle Anhaltspunkte. Meist ist es die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und man gelangt nur über systematische Auswertung zu Ergebnissen, welche natürlich sehr zeitaufwendig ist. Dennoch finden sich häufig kleine Schätze an Informationen, die man mit der richtigen Personenkenntnis und Ortskenntnis entsprechend deuten kann. In vielen Archiven schlummern noch Unmengen an interessanten Geschichten!